Aufschlussreich vor diesem Hintergrund ist das bereits 1932 geschriebene Gedicht „Das Gebet“, in dem das lyrische Ich „allerlanden“ eine Stadt sucht, „die einen Engel vor der Pforte hat. / Ich trage seinen großen Flügel – / gebrochen, schwer am Schulterblatt / Und in der Stirne einen Stern als Siegel.“ Dieser angeschlagene Engel ist ihrem Schicksal nähergekommen als sie selbst es bei der Niederschrift dieser Zeilen ahnen konnte. Er erinnert aber auch an Walter Benjamins „Engel der Geschichte“, dessen Flügel sich im vom Paradies kommenden Sturm verfangen. Bei Lasker-Schüler steht der Engel jedoch mit Gott in Verbindung, ja ist in ihn „gehüllt“ und symbolisiert ein zergehendes Momentum, wie ihn die Kabbala beschreibt. Dieser sich fortwährend neu erschaffende „Gottosten“ ist ihr ein Kompass in allen Lebenslagen und führte sie auch, ihrer unverblümten Direktheit wegen, gleich in den ersten Tagen ihres Exils zu Hugo May und Kurt Ittmann in das Warenhaus Julius Brunn, wo sie sich den besagten Koffer auf Raten kaufte. Mit diesem Koffer fängt die Beziehung zu den „treuen Indianerfreunden“ an und mit ihm reist sie auch nach Jerusalem, wo sie 1945 gestorben ist. Fast scheint es, als sei in ihm auch jene Zeit gestrandet, die in ihrer unbegrenzten Wahrnehmung auch altern konnte und doch auch zur Ewigkeit befähigt war.